Und der Sittich zwitscherte: »Wir sind das Volk!«

Reflexionen aus einem Leipziger Kinokeller Von Joachim Michael

Etwas war an jedem Abend im »Universum« in den Passage-Lichtspielen anders. Es gab keine nummerierten Sitzplätze, was vor Beginn des Films zu Fragen und Handzeichen des Publikums führte, ob dort noch etwas frei sei. Aber so kamen alle miteinander ins Gespräch, auch mit einem der Regisseure. Der Keller mit den weichen Sesseln war voll, drüber freute sich »übelst«, wie er formulierte, einer der beiden Macher des Films. Tilman und Karl-Friedrich König, Söhne des bekannten Jugendpfarrers aus Jena haben »Der schwarze Nazi« gedreht. Die Mittel des Projektes bei Freunden und Sympathisanten erbettelt. Nach der ersten Verfilmung »Sikumoya: Der schwarze Nazi« (2006) erzählen die beiden erneut die Geschichte dieses Mannes mit kongolesischen Wurzeln. Er lebt jetzt in Deutschland und möchte eingebürgert werden. Seine Freundin und er erwarten ein Kind und nicht nur seine Schwiegereltern haben da Vorurteile. Eines Tages bricht Sikumoya zusammen. Als er wieder erwacht, ist er deutscher als es jedem Neo-Nazi nur lieb sein kann. Schuld ist offenbar eine Bluttransfusion. Während der 85 Filmminuten wurde im Dunkeln oft gelacht und gemunkelt. Am Ende der Geschichte, die in Leipzigs Straßen gedreht wurde, klatschten einige. Ja, das war Cinema-Abstruso.

Nur, unübersehbar, der wunderbar schräge Einfall reicht nicht für einen ganzen Film. Das führt zu etlichen Wiederholungen und mitunter plumpen Klischees. Eine ähnliche Thematik wurde beim mitternächtlichen Fernsehgeheimtipp »Der Tatortreiniger«, in 30 Minuten (!), um Klassen besser obwohl ähnlich abstrus bereinigt.

Ach so, das will ich noch nachtragen: Zum Schreien der zwitschernde Sittich in der Küche der Filmhelden. Ob der kleine Kerl weiß, dass nicht die Leipziger sondern Ferdinand Freiligrath und Georg Büchner diesen Satz, lange vor 1989, formulierten? Wussten Sie es?

Der Film steht im Mai (25. und 27. um 21.00 Uhr) auf dem Spielplan des UT Connewitz

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Mai 2016