Ich hasse Krieg

Von Michael Oertel

Von den 4356 ausländischen Studierenden in Leipzig sind 2224 weiblich und sieben kommen aus Israel. Zu dieser Gruppe gehört auch Nikol Ballan, die aus der israelischen Hafenstadt Haifa stammt. In Leipzig studiert die 25-Jährige an der HTWK Sozialpädagogik, nachdem sie ein Medizinstudium in Rom abgebrochen hat. Nun hat sie ihre Zelte in Leipzig aufgeschlagen, ist hier heimisch geworden. Hier liebt sie den Augustusplatz, liebt den architektonischen Mix, der so manchem Leipziger eine Anfechtung ist. Darüber hinaus ist Leipzig Musik in ihren Ohren, besonders natürlich Bachs wegen. Der Thomanerchor begeistert sie, da sie selbst singt und sich stimmlich weiterentwickeln möchte. Ohnehin ist sie kunst- und kulturverliebt, Bücher und Musik stellen für sie Lebensinhalt dar. Ebenso Sprachen. Sie beherrscht Hebräisch, Arabisch, Englisch, Italienisch und Deutsch. Damit nicht genug; jetzt lernt sie noch Japanisch. »Erst einmal muss ich« und sie lacht, als sie das erzählt: »einen sächsischen Sprachkurs belegen!« Gut, mit dem Sächsisch hapert es noch ein wenig, dafür aber nicht mit der sächsischen Küche. »Meinen Freunden in Israel koche ich Kartoffelsuppe mit Bockwurst!« erzählt die Studentin, zu deren Leibspeise auch die Leipziger Lerche gehört, deren Geschichte sie erzählen kann. Bei einem Espresso und einer Leipziger Lerche würde sie erzählen: »Mit meinem Wegzug aus Israel habe ich meine Sprache verloren, meine Freunde, eine Kultur zurückgelassen und mein gewohntes Essen aufgegeben. Mit meinem Herzug habe ich eine neue Sprache gewonnen, neue Freunde gefunden, eine neue Kultur und neues Essen kennengelernt.« Das Leben ist im Fluss und so resümiert das Sprachgenie: »Ich bin zufrieden und glücklich!« Doch eines treibt ihr Sorgenfalten auf die Stirn. Krieg! »Ich hasse Krieg!« sagt sie etwas trotzig und sehr bestimmt. Krieg, so befindet sie, ist nicht gut für unseren Planeten. Sie bringt es für sich auf den Punkt: »You ’re not GOD?!?« Du bist nicht Gott, meint: kein Mensch hat das Recht einen anderen Menschen zu töten. Nikol Ballan hat noch einen anderen Hintergrund, dies so festzustellen, denn sie kann von vielen schönen Dingen berichten, kennt und wirbt für ihre Heimat, mit all der alten Kultur, der Multikultur, der Weltgeschichte mit der Geburtskirche Jesu, kennt Rom mit allen seinen Schätzen und Sehenswürdigkeiten und liebt das weltoffene Leipzig, liebt die Stadtgeschichte, die für sie bis zu den neuen Autofabriken vor den Toren der Stadt reicht. »Wir sollten uns von diesen schönen Dingen erzählen, uns damit gegenseitig bereichern.« Lautet ihr Vorschlag. Recht hat sie. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Und genau dies lebt sie selbst, mit ihren vielen Freunden, denen in Israel und denen, die sie hier gewonnen hat. Es sind Menschen aus aller Herren Länder, und manches Mal nutzt Nikol Ballan ihre Sprachfertigkeiten, um anderen Menschen auf ihrem Weg zu helfen.

So ist Leipzig nicht zum Ort des Studiums, sondern zur Heimat geworden.

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Juni 2016