Umschlag Herbert Köder: 99 und kein bisschen leise

Herbert Köfer: »99 und kein bisschen leise«

Herbert Köfer wird im Februar 99 Jahre alt. Er ist damit der älteste aktive Schauspieler der Welt und als solcher im Guinnessbuch der Rekorde verzeichnet. Derart Publicity aber braucht er gar nicht, denn die Popularität des Theater- und Filmschauspielers, der auch als Kabarettist, Moderator, Quizmaster und (erster) Nachrichtensprecher des Fernsehens brillierte, ist ungebrochen. Wie kein anderer hat er sich den Ehrentitel eines Volksschauspielers verdient. Er hob das Fernsehen mit aus der Taufe, stand in frühen »Distel«-Jahren als Kabarettist auf der Bühne, stellte in unvergessenen Fernsehschwänken und Filmkomödien an der Seite von Kollegen wie Helga Göring, Marianne Wünscher, Gerd E. Schäfer oder Rolf Herricht sein erzkomödiantisches Talent unter Beweis, beeindruckte als Charakterdarsteller in DEFA-Filmen wie »Nackt unter Wölfen«, glänzte in Shows und Unterhaltungssendungen. Nach der Wende war er nicht weniger gefragt – und nicht nur der Film-, sondern vor allem der Theaterschauspieler Köfer wurde nun auch im Westen entdeckt. Wie sehr sein Herz fürs Theater schlägt, zeigte sich, als er sich im Alter von 82 Jahren einen Traum erfüllte und sein eigenes Tourneetheater, »Köfer Komödiantenbühne«, gründete.

In diesem Buch blickt Herbert Köfer auf sein langes Schauspielerleben zurück und wählt die heitere Episode, um von großen und kleinen Rollen, Ereignissen hinter den Kulissen und amüsanten Begegnungen mit seinen Kollegen zu erzählen.

Herbert Köfer. 99 und kein bisschen leise. Eulenspiegel Verlag Berlin. 176 Seiten. 14,99 Euro. ISBN 978-3-359-01192-7

Vorab schon zwei Geschichten aus dem neuen Buch von und über Herbert Köfer
Viel Spaß!

FERNSEHSTART

Am 21. Dezember 1952 begann das »öffentliche Versuchsprogramm« des Deutschen Fernsehfunks auf dem Gelände des neugegründeten Fernsehzentrums in Adlershof. In der Programmzeitschrift »Der Rundfunk« hatte es einige Wochen vorm Start aufklärerisch geheißen: »Das Fernsehen ist kein Rundfunk mit Bild, kein Theater mit Rundfunk und auch kein Film. Die spezifischen Eigenheiten müssen bei uns, unter Auswertung der großen Erfahrungen des sowjetischen Fernsehwesens, noch entwickelt werden. Hervorragende Politiker und Kulturschaffende unserer Deutschen Demokratischen Republik werden das Fernsehzentrum bei der Gestaltung seiner Programme wesentlich unterstützen.« Zu diesen »hervorragenden Kulturschaffenden« rechnete also auch ich.

So saß ich drei Tage vor Heiligabend in einem Studio, nicht größer als ein Wohnzimmer, vor einem halbrunden Tisch mit eingebauten Monitoren. Es herrschten tropische Temperaturen. Draußen dräute der Winter, doch ich schwitzte im gleißenden Licht ganzer Scheinwerferbatterien. Die fest installierte Kamera konnte nicht mehr als von rechts nach links schwenken. Meine Aufgabe war es, die ersten Nachrichten zu sprechen. Noch bevor das erste Bild flimmerte, stand der Name der Nachrichtensendung fest: »Aktuelle Kamera«. Er sollte bis zur letzten Adlershofer Sendeminute ein halbes Jahrhundert später beibehalten werden. Ich versage mir an dieser wie auch an anderer Stelle, der oft geschmähten, gescholtenen und bisweilen auch verhöhnten AK auch nur ein hämisches Wort hinterherzurufen. De mortuis nihil nisi bene, über die Toten nur Gutes – das gilt auch hier.

Meine Zeit als Nachrichtensprecher währte allerdings nur einige Wochen. Dann kam der Intendant auf mich zu, um mir mitzuteilen, man werde jetzt einen richtigen Nachrichtensprecher engagieren. »Herbert«, sagte er kopfschüttelnd, »du sprichst die Nachrichten nicht. Du spielst sie.«

EINSCHALTQUOTE

Offiziell existierten beim Sendestart des Fernsehens keine sechzig Apparate. Die Fernsehgeräte aus dem Sachsenwerk Radeberg – Stückpreis 3500 Mark – glichen einem Radio, und sie hatten ja auch noch einen Lang-, Mittel-, Kurz- und Ultrakurzwellen-Rundfunkteil. Links spannte sich der Stoff über einen Lautsprecher, rechts flackerte die Röhre. Es handelte sich um das Modell »Leningrad T 2«.

Wie sich bald zeigte, hatten wir in den ersten Monaten nur einen einzigen »echten« Zuschauer, einen Berliner Ingenieur, der sich aus der Sowjetunion einen Fernseher mitgebracht hatte. Die anderen Geräte, die bislang auf dem Markt waren, schienen wirklich nur an offizielle Stellen verteilt worden zu sein. Der einzige freiwillige Zuschauer hatte sich gleich nach unserer Premiere telefonisch bei uns gemeldet und mitgeteilt, dass ihm die zwei Stunden gefallen hätten. Fortan rief er allabendlich an, um seine Meinung kundzutun. Sie war in der Regel freundlich und wohlwollend. Einmal blieb jedoch der Anruf aus. Das irritierte uns. Darum wählten wir ihn an und erkundigten uns besorgt, weshalb er uns seine Zuneigung entzogen habe. Er beruhigte uns, sein Schweigen hatte nichts mit der Qualität unserer noch immer als »Versuchsprogramm« deklarierten Sendung zu tun. Unser »echter« Zuschauer schaltete anderentags wieder den Fernseher an, und schon hatten wir wieder eine 100-prozentige Einschaltquote.

Herbert Köfer »99 und kein bisschen leise«

Termine zur Leipziger Buchmesse

Donnerstag, 12. März
12.00 Uhr: LVZ Arena: Halle 5, D100
13.00 Uhr: Signierstunde am Verlagsstand: Halle 5, K205
17.00 Uhr: Kabarett Sanftwut: Grimmaische Str. 2-4 (7 Euro Eintritt)

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Februar 2020