Dirty Dancing

Wenn der letzte Walzer geschunkelt ist und die Konfettireste aus dem Saal gefegt werden, weiß der gemeine Deutschbür­ger: Karneval und Fasching sind für dieses Jahr abgehakt. Zeit wird's, sich wieder den professionel­len Narren und ganzjährigen Pappnasen zuzuwen­den, bei deren Kapriolen und Kabinettsstückchen einem nicht selten das Blut in den Adern gerinnt. Wohlan denn, Vorhang auf zur großen Rocky­-Hor­ror­-Picture­-Show:

Da wäre zunächst ein bundesrepublikanischer Außenminister, der sich in Washington von seinem amerikanischen Kollegen am Nasenring durch die Manege ziehen läßt und – wieder in Berlin – auch noch stolz davon berichtet. Nein, ein »No­spy«-Abkommen habe man nicht geschlossen, verkündet Ausnahmediplomat Frank Walter, statt dessen aber einen »bilateralen Cyber-­Dialog« vereinbart, um »Gemeinsamkeiten zum Schutz der Privatsphäre unserer Bürger wieder definieren zu können.« Ähh... ja. Aber mit Verlaub Euer Ehren, was für ein himmelschreiender Blödsinn ist das nun wieder? Weiß keiner? Nun gut, Orden umgehängt, Narrhal­la-­Marsch, die nächste Koryphäe in die Bütt.

Und zwar die Speerspitze der deutschen Arbei­terbewegung, der ehemalige Popbeauftragte der Sozialdemokratischen Partei, Siggi »Pop« Gabriel. Auch wenn sein Auftritt schon ein paar Tage her ist, strotzt er nur so vor Aktualität. Denn mit der blumenreichen Sprachgewandtheit des Märchener­zählers in einer niedersächsischen Jurte hat er schamloses Verhalten an den Pranger gestellt. Und zwar nicht nur vor Mikrophonen und Fernsehka­meras, sondern vor dem kompletten Erdkreis, quasi urbi et orbi. Deshalb: Völker der Welt, schaut auf diesen Mann!

Es handelte sich dabei aber weniger um Selbst­geißelung, als mehr um die Schamlosigkeit des SPD-­Genossen Edathy, der sich im stillen Käm­merlein an den Bildern minderjähriger Knaben ab­schwitzte.

Seine Partei sei »fassungslos« und zwar »unab­hängig strafrechtlicher Relevanz«. Warum? Weil Edathys Verhalten »nicht zur sozialdemokratischen Partei Deutschlands passe«. Mag sein.

Nur vergaß der Große Vorsitzende Gabriel zu erwähnen, dass er schon seit dem Oktober 2013 Kenntnis von den eigenwilligen Seh­gewohnheiten Edathis hatte, dieses Wissen aber, vielleicht in der Hoffnung, ein gottgelenkter Besen würde die Schmach unter den großen Teppich des Vergessens fegen, ganze vier Monate verschwiegen hatte. Ebenso wie sein Parteigenosse, BKA­-Chef Jörg Ziercke übrigens (in dessen Amt ein höherer Beamter ähnlichem Hobby frönte) diesem merk­würdigen Syndrom der Erinnerungslücke anheim fiel. Sittliche Wertvorstellungen? Wie krank ist das denn? Wir singen Humba Täterä und dann dasselbe noch einmal.

Gabriels Siggi ist aus niedersächsischen Landen gebürtig. Dafür kann er nichts. Auffallend hingegen ist die Häufung höchstnotpeinlicher Importe aus dem Großraum Hannover, die seit Jahren taliban­mäßig unsere blühenden Landschaften unterwan­dern. (Nein, Herr Pfarrer, Sie sind nicht gemeint, Sie kommen doch aus Rostock, nein, nicht am Don, an der Ostsee. Oh Herr, erlöse uns von dem Übel.) Neben der aktuellen Garde Gabriel, Edathi, Schüt­zen­-Uschi und läßlichen Sünden wie den Scorpions (Wind of Change) und Oliver Pocher (man bin ich blöd) auch ehemalige Schwergewichte wie Gerhard Schröder (Flasche Bier), Philipp Rösler (Altvor­stand) und Christian Wulff (Freispruch 1. Klasse). Da kann sich die Bundeshauptstadt als Narrenhoch­burg aber warm anziehen.

Obwohl, wir an der Spree haben mit Klausi Wowe­reit immer noch den windigsten Regierenden Bürger­meister aller Zeiten. Der steht seinen sozialdemokra­tischen Parteifreunden in nichts nach, spricht sich mal eben selbst frei von allen Vorwürfen und Vertu­schungsanschuldigungen betreffs des Steuerbetrugs seines Kulturstaatssekretärs Andre Schmitz und freut sich ansonsten des unbehelligten Daseins. Wenn es ihm einmal gar zu langweilig wird, gibt er jovial den Mehdornversteher, der das Ding mit dem Flughafen, wie schon seine Vorgänger, Jahr für Jahr nicht gebacken kriegt. Heidewitzka Herr Kapitän ...

Mehr kann man wirklich nicht erwarten aus der Bütt im Roten Rathaus.

Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe -2014