Und morgen die ganze Welt

In der Ukraine marschieren die Faschisten, rufen auf zu Massenmorden an »Judenschwei­nen« und »Russensäuen« und veranstalten Menschenjagden in den nächtlichen Straßen Kiews. Ein korrupter Hefezopf, gerade auf Krücken aus der Berliner Charite auf den Maidan zurückgekehrt, will »dem Dreckskerl« (Putin) eigenhändig in den Kopf schießen und weitere 8000 Russen »platt machen.« Ihr Kampf. Das ist gelebte Demokratie in Wort und Tat. Die Anlage zum Aufnahmeantrag der Ukraine in die EU. For­muliert durch die sich selbst als antisemitisch und neonazistisch bezeichnende Swoboda Partei, die gleich mit drei Ministern, darunter dem stellver­tretenden Regierungschef, in der Führung des Landes vertreten sind. Partner der Zukunft für ein vereintes Europa. (Da kommt mir doch gleich ein Zitat Sven Regners in den Sinn: Die Zukunft ist eine dumme Sau.)

Aber Spaß beiseite. Mit Ausnahme der LINKEN spielen alle Parteien des Bundestags diese Vorfälle als unschöne Randerscheinungen herunter. Die einen als russische Propaganda, andere, wie den Grünen, ist es zwar ein klitzekleines bißchen pein­lich, aber alles in allem sei das doch nicht so schlimm wie es sich anhört. Man sollte nicht über­treiben.

Den Vogel aber schossen sich unsere bajuwari­schen Landsleute in den Gamsbart. Sie wollen den mörderischen Hefezopf (nach tränenreichem Vor­trag der Timoschenko Tochter Jewgenia) für den Friedensnobelpreis nominieren. Nun gut, sie wäre nicht die erste zwielichtige Anwärterin auf den Preis.

Auch Altsponti und Edellobbyist (Siemens, BMW, RWE) Joschka Fischer (Grüne) meldet sich aus dem Off und gibt in der »Süddeutschen Zei­tung« seinen Senf dazu. Als fleischgewordene Metamorphose vom friedensbewegten Paulus zum bellizistischen Saulus (siehe dazu auch Fischers Rolle im Balkankrieg) sowie Elder Statesman, fordert er unnachgiebige Härte gegenüber Putins Russland und steht damit in Reih und Glied des Mainstreams, als Schütze Arsch im Hinterhalt so­zusagen.

Nur zur Erinnerung: bei den Verhandlungen zum 2 plus 4 Vertrag, der die Vereinigung von BRD und DDR zu blühenden Land­schaften regelt, wurde einem gewissen Herrn Gorbatschow in die Hand versprochen, die NATO nicht bis an die Grenzen Russlands auszudehnen. Doch was kümmert heute noch das Geschwätz von gestern?

Wer also trägt folgerichtig an dem ganzen Schla­massel die Schuld? Richtig, der postsowjetische Imperialismus Putins und sein Traum vom Großrussischen Reich.

So oder so ähnlich jedenfalls sehen das auch die führenden Politkommissare der Berliner Republik. Deutschland muss in Europa endlich wieder nicht irgendeine, sondern die führende Rolle einnehmen. Das sind wir unseren freundschaftlichen Partnern schuldig. Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt. Konsequenterweise fordern Kriegsministerin Uschi (stealhammer) von der Leyen (christl.) und Außenminister Frank Walter (braveheart) Steinmeier (soz.) unisono dasselbe. Die eine im offensiven Duktus (stillgestanden, Maul halten) ihrer Funktion, der andere in der ihm eigenen verschleiernden Ausdrucksweise mit der kruden Logik des demagogischen Scharfmachers. Präsenz zeigen ist der Tagesbefehl. Will heißen, Aufmarsch an den NATO-­Außengrenzen, gerade auch im Baltikum, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die bundesdeutsche Wehrmacht (germans to the front) immer führend dabei. Dass ihm die mor­schen Knochen zittern, dem Russ, dem Saubazi, dem depperten.

Jenes höhere Wesen (Böll), von dem wir nichts wissen, an dessen Existenz man nur glauben kann, möge uns doch bitteschön aus den Qualen dieses Alptraums erlösen, die Schimäre verjagen auf Nim­merwiedersehen. Doch nichts dergleichen wird sich ereignen, wir leben in der harten Realität.

Bitte glauben Sie mir, verehrter Leser, auch ich sehne mich nach den vergleichsweise harmlosen Hanswurstiaden eines Westerwelle, Brüderle oder gar Horst Köhler zurück. Das waren noch Zeiten. Wie gerne würde ich wieder einmal über die humo­rigen Schwächen der Politiker schreiben. Ist mir aber momentan nicht möglich. Tut mir leid. Ich bitte um Entschuldigung. Die Zeiten sind zu ernst.

Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe -2014