Eh alles wurscht

Wenn es auch die Renten nicht sind, eines ist sozusagen bombensicher: die Politik der bundesdeutschen Konservativen. Zuverlässig und authentisch in der Tradition der unzähligen Nazis, die bei, in, und mit ihnen nach dem letzten Weltkrieg ihre zweite Karriere erfolgreich starteten. Darauf kann sich der Deutsche, besonders der Deutsche Michel, verlassen. Hundertprozentig.

Zugegeben, kleinere Ausrutscher gab es auch in der CDU. Zum Beispiel das Ahlener Programm von 1947, in dem es frech fröhlich heißt:

»Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.

Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein.« Zitat Ende. Ganz im Ernst, lieber Leser, das stand da wirklich drin, ohne Quatsch. Man nannte es (igittigitt) »christlichen Sozialismus«. Aber die pfiffigen Christdemokraten erkannten bald, was sie da (im Rausch der Sinne?) in ihr Programm geschrieben hatten und korrigierten die verfänglichen Passagen umgehend, sie verschwanden im Orkus wohlverdienter Vergesslichkeit und waren nicht mehr gesehen noch gehört. Seitdem weiß man bei den Konservativen, woran man ist. Oder, um mit dem Dichterwort zu sprechen: »Dich will ich loben: Häßliches, du hast so was Verläßliches.« (Robert Gernhardt)

Aber ach, was hat die deutsche Sozialdemokratie dem entgegenzusetzen? Traurig schaut es aus, davon konnten ja schon Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ein garstig Liedchen singen. Und es ist nicht besser geworden seitdem. Auf dem kurvenreichen Weg von der Partei zum pöbelnden Stammtisch dreht das sozialdemokratische Führungspersonal derart am Rad, dass es einem ganz schwindelig wird. Wer soll sich in diesem Kuddelmuddel noch auskennen? Gut, dass man vor Wahlen Dinge verspricht, von denen man weiß, sie werden niemals gehalten, ist allgemeiner Usus und regt nur noch die kleine Gruppe Menschen auf, die dem Irrglauben verfallen sind, durch Wahlen ließe sich wirklich etwas verändern. Selbst schuld. Und all die anderen? Die müssen mit dem sozialdemokratischen Trümmerkrater leben, der sich vor ihnen abgrundtief auftut.

Da lässt der Fraktionsvorsitzende Oppermann mal eben Sommer- und Winterzeit verwechseln, um sich vor dem Edathy-Untersuchungsausschuss irgendwie doch noch herausreden zu können. Sein Kollege Hartmann kann schließlich nicht der Lüge überführt werden, weil dauerkrank.

Da setzt die Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore Kraft, etliche Teilnehmer des Parteikonvents zur Vorratsdatenspeicherung und zu TTIP unter Druck. Wenn es nur um Liebesentzug ginge, wäre das ja hinzunehmen, aber, Genossinnen und Genossen, hier geht es um Eure Karrieren, Abgeordnetensitze, um Pfründe sozusagen. Da hört der sozialdemokratische Spaß aber ganz schnell auf.

Und die beiden Obermacker, der große Vorsitzende Gabriel und sein Justizminister Maas, vor nicht allzu langer Zeit vehement dagegen, jetzt noch vehementer dafür, werden noch nicht einmal abgestraft wegen Vortäuschung falscher Tatsachen oder Gesinnungsbetrügerei übelsten Ausmaßes.

Man lasse sich nicht von dem Greenpeace Plakat »Willy Brandt würde TTIP stoppen« täuschen. Würde er nicht, er war Sozialdemokrat durch und durch. Siehe dazu auch: Notstandsgesetze, Berufsverbote etc.

Die SPD und ihr Klassensprecher, seit neuestem auch Pegida-Versteher, befinden sich ganz klar auf der Überholspur. Auf der rechten natürlich, um Merkel, der Lieb’, zu gefallen. Das ist der Preis für den Trog am Kabinettstisch.

Wirklich dramatisch ist nur, dass in den Köpfen der sozialdemokratischen Führungsriege nichts mehr drin ist, was auf ein Gewissen schließen lässt. Das Schlimme daran ist das Schlimme darin.

Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Juli 2015