Ein garstig Lied!

Pfui! Ein politisch' Lied! Schimpft der Zecher in Auerbachs Keller und man wundert sich ob des Weitblicks, den Goethe schon mehr als 200 Jahre zuvor in seinem Faust erkennen ließ. Ja, es ist ein garstig' Lied, das uns jene singen, die sich auf der schmierigen Politbühne als Erstbesetzung gerieren. Wenn das Volk wirklich so ist, wie seine sogenannten Vertreter sich aufführen, dann, ja dann wäre es höchste Zeit, die Koffer zu packen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Wes Geistes Kind sind diese Hetzer, die da Hass und Zwietracht säend durch die Kulissen rasen und rollen? Die Seehofers, Söders, Bosbachs, Schäubles, de Maizières und wie sie alle heißen, die vom rechten Rand des nicht mehr Erträglichen täglich ihr Gift verspritzen, um der Lieb’ zu gefallen. Der Lieb’? Im Klartext: den irren Tausenden, die derzeit der (noch) Zweitbesetzung Bachmann, Petry, Höcke in brauner Kulisse hinterherlaufen, galgenbewehrt das Prädikat »Volk« für sich reklamierend, fackelschwenkend im dumpfen Tritt. Nur die Feldherrenhalle fehlt, für diese muss die Semperoper herhalten. Deutschland, Deutschland über Einigkeit und Recht, von der Maas bis an die Memel und ...

Derweil die Sozial(?)demokraten sich mit den bayerischen Extremisten aus ihrer Koalition um Begriffe streiten, die aber alle eines gemeinsam haben: ihren eigentlichen Inhalt. Auffanglager, Asyl- und Transitzonen, Registrierungs- und Einreisezentren, im wo auch immer hergenommenen Niemandsland oder mittendrin: im Grunde genommen alles dieselbe Soße, Begriffe, die kaum verschleiert dazu dienen, Flüchtlinge so schnell wie möglich abzuschieben. Zum Beispiel in so sichere Herkunftsländer wie das Kosovo oder Afghanistan. Wenn man schon keinen mauerartigen antiislamischen Schutzwall bauen kann, weil das angesichts der jüngsten Geschichte doch ein wenig komisch aussehen würde.

Tapfer erklärt die SPD-Generalsekretärin Fahimi gebetsmühlenartig im Fernsehen, was mit ihrer Partei alles nicht zu machen ist, während ihr Chef in der Kulisse die Kompromisse besiegelt, einer fauliger als der andere. Hier geht es schließlich um Macht und deren Erhaltung. Da kann die Souffleuse in ihrem Kasten soviel aufs sozialdemokratische Textbuch verweisen wie sie will. Zur Not wird sie eben ausgetauscht.

Ich wünsche den Herren Seehofer, de Maizière oder Schäuble und Konsorten nicht, dass sie dereinst, weil sie um ihr Leben fürchten, an fremde Türen klopfen müssen und mit den gleichen Worten empfangen werden, die sie heute täglich in den Medien absondern. Alles schon einmal dagewesen! Der Schoß ist fruchtbar noch, wie sich gerade in diesen Tagen zeigt.

Und dann kam der Terror in Paris, der vielen Menschen den Tod brachte, ihren Angehörigen unsäglichen Kummer und kaum erträgliches Leid. Ich muss es leider so ausdrücken: ein gefundenes Fressen für alle Scharfmacher und Fremdenhasser. Nachdem Krokodilstränen geflossen sind, werden in den Medien die Rufe nach restriktiven Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik lauter werden, die Zeit der brandstiftenden Biedermänner hat wieder einmal Hochkonjunktur. Den Auftakt liefert schon mal der ehemalige Spiegel-Redakteur und jetzige Welt-Kolumnist Matthias Matussek, der bei Facebook postete:
»Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen.«
Und damit auch alle wissen, wie ernst er es meint, setzte er noch ein Smiley dazu.

Da lugt der deutsche Neonazi unter seiner Kapuze vor und haucht ergriffen: »Merci«.

Noch ein Wort in eigener Sache.

Mit dieser Kolumne verabschiede ich mich von den Lesern dieser Zeitung. Nicht aus freiem Willen, sondern aus dem Zwang der Notwendigkeit heraus. Es fällt mir, ich gestehe es freimütig, nicht leicht, eine andere Lösung hätte ich vorgezogen. Aber was nicht ist, ist nicht. Ich möchte mich bei allen denjenigen bedanken, die mir über die Jahre hinweg lesend ihre Treue gehalten haben, auch wenn ich vielleicht nicht immer ihre Meinung getroffen habe. Zum Schluss, aber nicht am Ende, möchte ich Ihnen allen ins Gedächtnis rufen: »Der Kampf geht weiter!« In diesem Sinne: Macht's gut, Nachbarn!

Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe November/Dezember 2015